Deep Talk oder lieber Small-Talk?

Substantielle Gespräche können neue soziale Bindungen eher fördern und bestehende Beziehungen besser stärken als bloßer Smalltalk. Zu diesem Ergebnis kommen die Verhaltensforscher Michael Kardas von der Northwestern University in Illinois, Amit Kumar von der University of Texas at Austin und Nicholas Epley von der University of Chicago in einer Studie zu der Frage, ob ernsthafte Unterhaltungen mit Fremden die Menschen wirklich so viel Überwindung kosten, wie viele meinen, und ob diese zwangsläufig unangenehmer sein müssen als belangloser Smalltalk. Die Studie „Overly Shallow?: Miscalibrated Expectations Create a Barrier to Deeper Conversations" wurde am 30. September  2021 im "Journal of Personality and Social Psychology“ der American Psychology Association veröffentlicht. 

Wenn die Vorteile so klar überwiegen: Warum erlauben wir uns dann nicht öfters "Deep Talk" mit Fremden? Die Studie macht klar deutlich, dass Unterhaltungen mit fremden Personen weniger unangenehm sind, für mehr Verbundenheit sorgen und mehr Glücksgefühle erzeugen, als wir denken. 

Natürlich wünschen wir uns alle tiefe Beziehungen. Wir trauen uns aber viel zu selten, uns auf ernsthafte Gespräche mit anderen einzulassen, die genau diese Art von Beziehung fördern könnten. 

Unsere Erwartung an Unterhaltungen mit Fremden schafft  eine psychische Schwelle, die uns davon abhält, uns mit ihnen über  ernste  Themen zu unterhalten. Dabei gibt es keine Regel, die besagt, dass wir uns zwangsläufig nur über das Wetter unterhalten müssen. Im Gegenteil: Wir unterschätzen, wie sehr sich Fremde für unsere tatsächlichen Gefühle und Gedanken interessieren. Meistens gehen wir davon aus, dass diese ohnehin nichts von unseren Befindlichkeiten wissen wollen. 

 Im Rahmen der Studie wurden zwölf Experimente mit 1800 Probanden durchgeführt. Die Probanden stellten in ihren Unterhaltungen sowohl banale als auch tiefgründige Fragen. Die Fragen reichten von: „Was ist die beste TV-Sendung, die du im letzten Monat gesehen hast?“ zu: „Was sagst du zum heutigen Wetter?“ und gingen über in: „Kannst du einen Moment beschreiben, in dem du vor einer fremden Person geweint hast?“ Und: „Wenn du mithilfe einer Glaskugel die Wahrheit über dich selbst, dein Leben, deine Zukunft oder etwas anderes herausfinden könntest, was würdest du gerne wissen?“

 Im Anschluss daran formulierten die Probanden jeweils ihre eigenen Fragen, tiefgründige wie oberflächliche.  Im Vorfeld sollten sie einschätzen, wie unangenehm diese Unterhaltungen werden würden, wie sehr sie die Unterhaltungen genießen und wie verbunden sie sich ihrem Gegenüber fühlen würden. Das Ergebnis: Unterhaltungen verlaufen häufig ausgewogener, als wir denken: Wenn wir etwas sehr Privates mit jemandem teilen, erhalten wir im Gegenzug häufig auch eine ehrliche Antwort unseres Gegenübers. 

Außerdem fühlten sich die Teilnehmer der Studie bei den Gesprächspartnern, die sie als tiefgründiger einstuften, deutlich wohler als bei denjenigen, die im Gespräch bloß an der Oberfläche blieben. Vielleicht ist „Deep Talk“ eine Möglichkeit, noch mehr Begegnungen mit Mitmenschen zu erleben, die uns in Erinnerung bleiben. 

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