Drei Fragen an... Annette Hussong

Annette Hussong 

Public Affairs Mitarbeiterin eines großen Deutschen Unternehmen in den USA. 

Lebt seit 1996 in den USA und hat Internationale Beziehungen und Volkswirtschaft in den USA und Japan studiert.

1. Frau Hussong, der Wahlkampf in den USA nimmt Fahrt auf. Die Vorwahlen der Republikaner und Demokraten haben die ersten Ergebnisse gebracht: Sowohl Donald Trump wie auch Joe Biden haben sich diese Woche in New Hampshire durchgesetzt. Schauen wir zuerst zu den Republikanern: Hat Nikki Haley überhaupt noch eine Chance gegen Donald Trump?

Theoretisch ja. Um im Juli nominiert zu werden, braucht Trump laut dem öffentlichen Radiosender NPR zusätzlich zu den 32 Delegierten, die er durch seine Siege in Iowa und New Hampshire gewonnen hat, noch 1.183 Delegierte. Nikki Haley hat also noch die Möglichkeit und etwas Zeit, Delegierte für ihre Kandidatur zu sammeln. Die meisten politischen Beobachter halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass Haley gegen Trump gewinnen kann.

Ein Grund dafür liegt in der jüngeren Geschichte:  In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Sieger der republikanischen Vorwahlen in Iowa und New Hampshire am Ende auch Kandidat der Partei. Trump hat in beiden Staaten gewonnen.

Ein weiterer Grund ergibt sich aus den Umfragen. Ein großer Teil von Haleys Wählerschaft in New Hampshire, wo sie eine nicht unerhebliche Anzahl von Stimmen erhielt, setzte sich aus unabhängigen Wählern, Studenten und gemäßigten Wählern zusammen. Diese Wählergruppen sind aber in anderen Staaten, in denen noch gewählt wird, weitaus weniger vertreten als die Trump-Wähler oder dürfen als unabhängige Wähler gar nicht an den Vorwahlen der Republikaner teilnehmen. Bei den Republikanern liegt Trump weit vor Haley. Das gilt auch für South Carolina, Haleys Heimatstaat. Dort liegt Trump mit 62,5 Prozent weit vor Haley, die derzeit knapp unter 30 Prozent liegt.

Warum will Haley trotzdem weiter um die Nominierung kämpfen? Bis Juli ist es noch eine Weile hin, da kann noch viel passieren. Vielleicht will sie sich auch für die Präsidentschaftswahl 2028 in Stellung bringen. Eine Nominierung in diesem Jahr scheint aber eher unwahrscheinlich.

2. In den USA treten zwei ältere Männer um das mächtigste Amt der Welt gegeneinander an. Haben die Demokraten keine jüngere oder keinen jüngeren Kandidatin oder Kandidaten gefunden, der gegen Trump antreten kann, und warum nicht? 

Vorwahlen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass es riskant ist, einen zur Wiederwahl anstehenden Präsidenten herauszufordern. Ted Kennedys Gegenkandidatur zu Jimmy Carter 1980, Pat Buchanans Gegenkandidatur zu George H.W. Bush 1992 oder Ronald Reagans Gegenkandidatur zu Gerald Ford 1976 waren allesamt nicht erfolgreich und führten darüber hinaus zum Verlust der Präsidentschaftswahl für den Amtsinhaber. In all diesen Fällen gewann der Kandidat der Gegenpartei. Vor dem Hintergrund dieser Geschichte scheint die Mehrheit der Demokraten entschieden zu haben, die Kandidatur von Joe Biden zu unterstützen. Die Vorstellung, die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus durch innerparteiliche Uneinigkeit zu begünstigen, ist Motivation genug. Auch wenn sich viele demokratisch gesinnte Amerikaner einen jüngeren Kandidaten wünschen.

3. In Europa geht die Angst um, die USA würden sich nach einem Wahlsieg Trumps aus der NATO zurück ziehen und Europa müssten sich dann mehr als jetzt im Ukraine Krieg engagieren. Wie realistisch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass die Republikanische Partei Trump folgen würde, sich aus der NATO und aus der Unterstützung der Ukraine zurück zu ziehen. 

Umfragen zeigen, dass die Republikanische Partei einem weiteren internationalen Engagement der USA skeptisch gegenübersteht. Laut einer Umfrage des renommierten Pew Research Center vom Mai 2023 sehen nur noch 49 Prozent der Republikaner die NATO positiv, während es bei den Demokraten noch drei Viertel sind. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Befürworter eines internationalen Engagements der USA insgesamt ab. Mehr als die Hälfte der Amerikaner (55 Prozent) sind laut Pew der Meinung, die USA sollten sich künftig stärker auf innenpolitische Themen konzentrieren.

Die sich hinziehenden Verhandlungen im US-Kongress über ein Finanzpaket für die Ukraine spiegeln die wachsende Skepsis in der republikanischen Partei wider. Sicherlich spielen auch politische Taktiken im Wahljahr 2024 eine wichtige Rolle.

Grundsätzlich aber sind viele Beobachter in Washington der Meinung, dass sich Europa und insbesondere Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit dieser neuen Realität auseinandersetzen sollten, unabhängig davon, wer im November das Weiße Haus übernimmt.

Denn die USA schauen nicht nur auf Europa und die Ukraine, sondern auch auf China, Taiwan und den Nahen Osten. Europa muss sich jetzt darauf einstellen, dass die USA auf Dauer nicht mehr in der Lage sein werden, in mehreren Konflikten in der Welt gleichzeitig militärisch umfassend aktiv zu sein.

4. Momentan stellen sich 25 US-Bundesstaaten an die Seite von Texas, um der Zuwanderung an der mexikanischen Grenze Herr zu werden. Texas hat die Grenzsicherung in die eigene Hand genommen und beruft sich auf ein „Selbstverteidigungsrecht“.  Der Gouverneur von Oklahoma, Kevin Stitt hat heute schon von einem neuen „Bürgerkrieg“ geredet, den die Staaten gegen Biden führen müssten. Zwei Fragen dazu: Ist das ernst zu nehmen, und Ist das der Stolperstein, über den Biden fallen wird?

Die Rhetorik zum Thema Einwanderung an der Grenze zu Mexiko ist aufgeheizt und wird durch eine ständige, politisch beeinflusste Berichterstattung in den Medien angeheizt. Donald Trump heizte die Debatte weiter an, als er kürzlich erklärte, dass Migranten das Blut der Amerikaner "vergiften" würden.

Diese Spannungen spiegeln sich auch in den anhängigen Gerichtsverfahren zur Klärung des Ermessensspielraums der Bundesstaaten in Einwanderungsfragen wider. Allen voran der Gouverneur von Texas, Greg Abbott.

Abbott wirft der Regierung in Washington vor, die Situation an der Grenze zu Mexiko nicht in den Griff zu bekommen. Allein im Dezember 2023 registrierte die Grenzpolizei laut der Zeitung Washington Post 249.785 Migranten, die illegal über die Grenze kamen. Die Republikaner sprechen von einer „Invasion“. Trump kündigte an, nur er könne Ordnung in das Chaos bringen.

Auch die Bürgermeister demokratisch regierter Städte wie New York oder Chicago fordern inzwischen Unterstützung von der Bundesregierung. Texas’ Gouverneur Abbott und Floridas Gouverneur De Santis schicken seit Monaten Tausende Migranten mit Bussen und Flugzeugen in diese Städte. Die Auffanglager sind überfüllt und die Ressourcen knapp.

Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben öffentlichkeitswirksame Anhörungen abgehalten und drohen mit der Absetzung von Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas. Sie wollen keinen Kompromiss. Einen Kompromissvorschlag aus dem Senat, der neue Maßnahmen zur Entspannung der Situation an der Grenze vorsieht, wollten sie nicht einmal prüfen, so Mehrheitsführer Mike Johnson.

Der Druck auf Biden wächst. Migration ist zum politischen Spielball im Wahljahr 2024 geworden. Das Thema könnte Biden schwer schaden. Er hat kürzlich angekündigt, die Grenze zu Mexiko schließen zu wollen, sobald der Kongress ihn dazu ermächtigt. Doch die Republikaner im Repräsentantenhaus scheinen keine Eile zu haben, Bidens Aufruf zu folgen und der Grenzpolizei und den Verwaltungsbehörden dringend benötigte neue Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie wissen, je länger sie eine Lösung der Situation hinauszögern, desto besser für ihre Kandidaten im November.

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