Drei Fragen an: Sebastian Georgi von der BildManufaktur GmbH

Sie möchten eine Dokumentation über Corona drehen. Wie findet man einen neuen, interessanten Ansatz der sich von den vielen Berichten abhebt, die bereits veröffentlicht wurden?

Ich denke, uns allen ist klar, dass momentan etwas passiert, das unser Zusammenleben, ob in wirtschaftlicher Hinsicht oder unsere soziale Ordnung betreffend, verändern wird. Es wird ein „Vorher" und ein „Nachher" geben. Und wir werden uns wohl noch lange darüber gesellschaftlich austauschen und Rückschau halten und werden versuchen zu verstehen, was da eigentlich alles passiert ist. Das ist natürlich eine Zeit, in der jeder Journalist aufmerksam wird. Und wir sind ja auch täglich mit Informationen geradezu überhäuft. Mittlerweile kennt ja jeder alle Zahlen und verfolgt täglich alle Entwicklungen auf verschiedensten Kanälen. Was mich aber mehr interessiert ist, was macht das mit den Menschen? Und wie verändern sich Menschen unter den Ereignissen? Eigentlich in allen Dokumentationen, die wir produzieren, begleiten wir Menschen über einen längeren Zeitraum in besonderen Situationen. Das ist sehr aufwendig und mühsam. Denn eigentlich wollen wir Menschen bei etwas begleiten, bei dem man sich gemeinhin nicht gerne zuschauen lässt. Aber wir werden später nicht nur durch Informationen verstehen, was sich eigentlich in dieser „Corona-Krise“ zugetragen hat, sondern wir werden vieles besser verstehen, wenn es Geschichten gibt, mit denen wir die Zeit nochmals erleben können. Zufällig begleiten wir seit einigen Monaten ein an Leukämie erkranktes 17-jähriges Mädchen, das eine Stammzellentherapie bekommen hat, und so sind wir quasi Stammgast in einem Krankenhaus. Für unsere Protagonistin hat sich durch das Auftauchen des Virus ihre gesamte Zukunft verändert. Sie wird als „Hochrisiko-Patientin“ für die nächsten Monate oder Jahre ein anderes Leben führen müssen. Außerdem haben wir die Veränderungen und Herausforderungen für eine Klinik hautnah miterlebt. Aber es gibt noch viele Geschichten, die erzählenswert sind. Meine Erfahrung mit anderen großen Ereignissen ist: Es gibt viele Berichte auf allen Kanälen, aber eigentlich ist vieles sehr ähnlich. Es geht um Zahlen, Prognosen, Neuigkeiten. Aber wirkliche Geschichten wird es am Ende viel zu wenige geben.

Wie beurteilen Sie die Kommunikationsarbeit der öffentlichen Stellen und der Krankenhäuser? Ist es für Sie einfach, die richtigen Ansprechpartner, Termine und Drehgenehmigungen zu bekommen?

Die Reaktion der öffentlichen Stellen ist teilweise bewundernswert. Es geben sich alle wirklich große Mühe. Aber einfach ist es momentan trotzdem nicht. Im Grunde herrscht überall großes Chaos. Wie soll es auch anders sein? Es gibt keine Blaupausen für eine solche Situation. Ständig ändern sich Vorgaben und Regeln. Niemand möchte etwas Falsches sagen, Zeit hat ohnehin keiner. Und Ansprechpartner sind krank oder im Homeoffice mit Kindergeschrei im Hintergrund. In den Krankenhäusern jagt eine Krisensitzung die nächste, und dabei gefilmt werden will dort eigentlich jetzt niemand. Alle haben Angst vor Fehlern und dass man ihnen nachher irgendetwas vorwirft. Zumal jeder, der von außen kommt, ein potentieller Virenträger ist. Alle sind mit der Bewältigung dessen beschäftigt, was ganz konkret ansteht. Niemand überblickt die nächsten drei Tage, und so sind eben alle verunsichert. Da will natürlich niemand Zusagen machen oder Genehmigungen erteilen. Aber wenn es einfach wäre, dann hätten wir ja nichts zu tun. Wir haben auch in der Vergangenheit bei Produktionen oft Monate zur Organisation im Vorfeld benötigt. Entweder wegen Sicherheitsfragen im Ausland, wegen Drehgenehmigungen oder auch wegen der Suche nach geeigneten Protagonisten. Was sicher einzigartig ist momentan, ist die Geschwindigkeit, mit der sich Dinge von einem auf den nächsten Tag ändern. Und so müssen auch wir flexibel bleiben.

Sie haben bereits in Kriegsgebieten gedreht und sind schwere Arbeitsbedingungen gewöhnt. Mit welchen besonderen sicherheitstechnischen Herausforderungen für Sie und Ihr Team rechnen Sie aktuell, wenn Sie einen Film über das Coronavirus machen?

Man kann das im Grunde nicht vergleichen. Ich bin zwar, anders als mein Partner, kein ausgewiesener Kriegs- und Krisenberichterstatter, aber bei meinen Projekten in Afrika oder Asien habe ich erlebt, wie wichtig es ist, die richtigen Menschen vor Ort zu finden, die vertrauenswürdig sind. Es ist eigentlich das zentrale Thema, das im Ausland an unüberschaubaren oder gefährlichen Orten ausschlaggebend ist. Die richtigen „einheimischen“ Leute vorher gefunden zu haben und auf sie zu hören. Da hilft es einem, wenn man über die Jahre ein Netzwerk geknüpft hat. Daneben ist umfassende Planung und Informationsbeschaffung unverzichtbar. Und sicher auch wichtig ist es, vom Typ her eher zurückhaltend zu sein und nicht zu unüberlegten, waghalsigen Aktionen zu neigen.

Momentan stellt sich eher die Frage, für wen ich selbst eine Gefahr darstelle. Schließlich bewegen wir uns im Umfeld von Risikopatienten und ärztlichem Personal. Es ist eine große Sorge, dass man beim Dreh beide Personengruppen anstecken könnte und das sollte absolut verhindert werden. Für uns selbst scheint Covid-19 keine allzu große Gefahr zu sein, aber als Virenschleuder sind wir eine echte Gefahr für andere. Im Krankenhaus bedeutet das für uns Schutzkleidung, Haarschutz, Mundschutz und Handschuhe. Das Equipment ist teilweise mit Plastikschutz versehen, Hände und Equipment müssen desinfiziert werden, und vor allem gilt: Abstand halten. Natürlich ist unsere Berufsgruppe besonders gefährdet und gefährlich, da wir mit verschiedenen Menschen zu tun haben. Deshalb versuchen wir insgesamt, unnötige Teamwechsel zu vermeiden, und haben auch, wie viele andere Firmen, das Büro nur für die nötigsten Arbeiten geöffnet.  Das Einzige, das man mit Dreharbeiten in Krisengebieten vergleichen kann, ist, dass man auf die Fachleute (hier eben Ärzte und Pflegepersonal) unbedingt hören muss. Auch im Krankenhaus gilt wie in Syrien: Sich selbst nicht überschätzen und den Anweisungen folgen!
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