mfm - Interview: Drei+1 Fragen an die digitale Powerfrau Dr. Anna Lukasson-Herzig

Dr. Anna Lukasson-Herzig studierte Werkstofftechnik an der RWTH Aachen und schloss ihr Studium mit Auszeichnung als Jahrgangsbeste ab. In der Stahlindustrie erwarb sie erste Berufserfahrungen und begann sich vermehrt mit KI-basierten Methoden zur visuellen Messdatenanaylse und Prozesskontrolle zu beschäftigen. Nach ihrer Promotion welchselte sie zur Boston Consulting Group (BCG), wo sie mehr als neun Jahre lang Industriekunden aus aller Welt zu vorwiegend strategischen Fragen beriet. Sie verließ BCG als Principal im Jahr 2014 und begann mit der Arbeit an NYRIS, das sie zusammen mit ihrem Bruder Markus 2015 während ihrer Schwangerschaft gründete. NYRIS ist eine auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierte Bild- und Objekterkennungs-Engine.

Ihr Erfolgstipp: Verzichtet auf Perfektion. Ihre Erfahrungen aus einem technisch-mathematischem Beruf, aus der Beratung und aus der Wirtschaft fanden wir sehr spannend. Erfreulicherweise hat sie sich, neben ihrer Tätigkeit als CEO bei NYRIS und Mutter, Zeit genommen für unser Interview.

1. Frau Dr. Lukasson-Herzig, zu Beginn die Standard-Frage: Wie kommt eine Frau in einen so technisch-mathematischen Beruf und ist diese Frage überhaupt sinnvoll? 

Diese Frage ist sinnvoll, denn es ist eine Tatsache, dass sich Mädchen eine solche Ausbildung zu selten zutrauen. Gründe hierfür sind vielfältig. Ich kann immer nur jeden Erziehungsberechtigten sowie Pädagogen ermutigen, Mädchen Mut zu machen und ihr Selbstvertrauen in diese Richtung zu stärken. Offensichtlich gibt es hier ein Ungleichgewicht, das wir alle nicht bewusst wahrnehmen. Ich sehe, dass Mädchen schneller entmutigt werden und dann in die bekannten Klischees verfallen. Dass es lohnenswert ist, den weiblichen Einfluss gerade im Hinblick auf KI deutlich zu erhöhen, versteht jeder. 

2. Ihr Unternehmen NYRIS hat sich auf das Thema KI-unterstützte Bilderkennung spezialisiert. Was macht da die Künstliche Intelligenz besser als die natürliche, also der Mensch?

Künstliche Intelligenz oder zumindest die heutigen Methoden, welche wir so nennen, übertreffen die natürliche Intelligenz in sehr vielen Aspekten nicht ansatzweise. In drei Punkten übertrifft die KI jedoch die menschliche: Sie rechnet schneller, greift auf eine deutlich größere Datenmenge zurück und ist signifikant günstiger. Dies können und sollten wir Menschen uns zunutze machen. 

3. Was kann Deutschland - die Politik, die Unternehmen, aber auch die Bevölkerung - besser machen im Umgang mit den Potentialen der Künstlichen Intelligenz bzw. mit Firmen wie NYRIS? 

Das Thema ist erkannt, erste Maßnahmen sind vorhanden, wir müssen nun einfach aufs Gaspedal drücken. Und wir sollten mehr darüber sprechen, was KI ist, was sie kann, wie sie uns helfen kann und wie großartig die KI-Landschaft in Europa ist. Europa ist im weltweiten Vergleich die Nummer 1 in Bezug auf Anzahl der Publikationen im Bereich Robotik & KI, wir sind die Nummer 1 bezüglich der Anzahl der Patente im Bereich Autonomes Fahren, wir sind auch die Nummer 1 bei der Anzahl der Startups in diesem Bereich. Trotzdem müssen wir Gas geben, um diese Vorreiterrolle nicht Ländern wie China und USA zu überlassen.   

4. Im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ wird der Supercomputer Deep Thought gebaut, der die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ beantworten soll. Seine Antwort lautet 42. Die Lehre daraus ist: Wir müssen vor allem die richtigen Fragen stellen. Sonst nützt die Antwort nichts. Stellen wir als Gesellschaft gerade die richtigen Fragen an unsere Computer oder erwartet uns eine ähnliche Antwort?

Computer und die KI sind vor allem hervorragende Analysewerkzeuge, nichts anderes als ein sehr effizientes statistisches Modell. Es beantwortet anhand der Daten die Fragen, welche man stellt. Das heißt, wenn wir wollen, dass es unseren Vorstellungen folgt, muss man vor allem die richtigen Daten bereitstellen, die zur Beantwortung dieser Fragen relevant sind. Und wenn man dieses perfekt macht, kann es immer noch passieren, dass eine Antwort dabei raus, die man nicht mag, auch wenn sie für die Mehrheit passend wäre. Daher sollten wir die wichtigen Fragen immer noch an uns selbst stellen.

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