Macht der Hashtags: Wie Tik-Tok politische Grenzen überwindet und den Diskurs aufmischt

„Wir sind das Volk“, DER Slogan von DDR Bürger*innen während der friedlichen Revolution von 1989, jetzt in neurechten Kreisen instrumentalisiert, findet sich aktuell als Mega-Hashtag auf TikTok wieder. #wirsinddasvolk, 64 Millionen Aufrufe insgesamt, i#ökodiktatur, mehrere Hunderttausend Klicks, oder #umvolkung, der mit 36 Tausend Aufrufen eine vergleichsweise geringe Reichweite hat, dafür aber radikalere Inhalte.

Deutlich wird:  TikTok  ist nicht nur eine Plattform für inhaltslose Unterhaltung, sondern alt immer mehr User politisch ab.  Doch wie verläuft der politische Diskurs auf diesem Medium, das viel schneller und wandelbarer ist als alles zuvor? Und welches sind die  Risiken?

TikTok gehört dem chinesischen Konzern ByteDance und ist eigentlich eine Unterhaltungsapp, die hauptsächlich zwischen 19 und 25 Jahren genutzt wird und auf Austausch von Bewegtbild und Interaktion basiert. 

Nutzerinnen können dort Videos aufnehmen, mit Musik unterlegen und auf andere Videos reagieren. Was TikTok jedoch von anderen Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Facebook unterscheidet, ist der Algorithmus. Dieser ist so präzise programmiert, dass er nach kürzester Zeit die Interessen einer Person kennt und Videos vorschlägt, die genau zu dessen Interessen passen. Dabei spielt es keine große Rolle, wie viele Followerinnen der Ersteller eines Videos bereits hat. Die Kriterien für eine hohe Like-Zahl sind Authentizität, Kürze und ganz wichtig: Unterhaltung und Humor. 

Dass die App aus China stammt, bringt aber relevante Sicherheitsbedenken mit sich: Daten werden an Dritte weitergegeben und auch Zensur findet nach den Ideologien der chinesischen Regierung statt: Mittlerweile ist öffentlich bekannt, dass vermehrt Videos mit chinakritischen, oder pro-LGBTQ+ Hashtags gesperrt werden. Das ist ein massiver Eingriff in die Meinungsfreiheit, und lässt deutlich erkennen, dass TikTok einen verzerrte Realität verzerrt darstellt und diese auch beeinflussen kann.

Der Algorithmus sorgt dafür, dass man sich (unbewusst) in "Bubbles" wiederfindet. Diese „Blasen“ entstehen, wenn das Nutzerverhalten bereits so gut analysiert ist, dass er genau das präsentiert, was den eigenen Vorlieben entspricht. Das kann von lustigen Tier- oder Tanzvideos bis hin zu politischen Inhalten gehen. Das übergeordnete Ziel der Plattform ist es, die Nutzenden möglichst lange zu halten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden auf kürzere, emotionale und mitunter auch radikalere Videos gesetzt.

Ein Beispiel für die politische Kraft von TikTok findet sich bei der letzte Präsidentschaftswahl in den USA. Donald Trump plant eine Wahlkampfveranstaltung am 19. Juni, dem Tag zur Erinnerung an die Befreiung der afroamerikanischen Sklaven, was bei vielen US-Amerikanern für Empörung sorgt. 

Um das zu verhindert starten zuerst Anhängerinnen aus der K-Pop (Korean Pop) Szene eine digitale Sabotageaktion gegen Trump und mobilisierten andere TikTok Nutzerinnen. Sie reservierten online Sitzplätzen in der Wahlkampf-Veranstaltung von Trump, für die man sich nur mit einer Telefonnummer registrieren musste, tauchen jedoch nie dort auf. So sprach Trump am Ende vor vielen leeren Sitzen. Seine Gewinner- Attitüde und sein Wahlkampf erlitten einen schweren image-Schaden.

Auf Trump Spuren wandelt in Deutschland die AfD. Sie ist politischer Vorreiter in Sachen Social Media, insbesondere auf TikTok. Sie hat mit Abstand die größte Reichweite mit fast 200 Tausend Follower*innen und die meisten Accounts, die mit ihr assoziiert werden. Ihre Strategie besteht darin, die Plattform mit möglichst vielen Videos von offiziellen Kanälen der Partei und Abgeordneten zu überschwemmen, sowohl aus dem Bundestag als auch mit persönlichen Inhalten. Eine entscheidende Rolle spielen jedoch auch undurchsichtige Accounts, bei denen nicht nachvollziehbar ist, ob sie in direktem Zusammenhang mit der AfD stehen, aber trotzdem rechtslastige Videos produzieren, die teilweise mehr Aufrufe erhalten als die Originalvideos der Partei selbst. Das jüngere und unerfahrenere Publikum wird mit Hilfe von Influencern, also Personen mit einer größeren Reichweite, erreicht, die diese politischen Themen gut verdaulich und spielerisch aufbereiten. So wird mit fröhlicher Musik im Hintergrund rechte Propaganda verbreitet.

Was TikTok zudem charakterisiert, ist die rapide Entstehung und Verbreitung von Fake News.

Insbesondere während der Wahlkämpfe kommt es gehäuft zu Desinformation und Diffamierung. In Deutschland traf dies zuletzt vor allem die Grünen, insbesondere Anna-Lena Baerbock. Durch Falschinformationen betreffend politischer Forderungen, wie ein angebliches Haustierverbot, und vielen anderen Behauptungen, dass sie beispielsweise ein Erotikmodel gewesen sei, wurde sie auch persönlich diskreditiert. 

Die andere Seite von Politik in TikTok ist gerade diese Kürze und Simplizität der Videos. Sie bereiten politische Themen für jüngere Menschen verständlicher und barrierearmer auf. 

Viele Creatorinnen haben sich solchen Inhalten verschrieben, exemplarisch der US-Amerikaner Hasan Piker, dessen Videos hauptsächlich aus Ausschnitten des Nachrichtensenders Fox News und Fake News aus der konservativen Ecke Amerikas bestehen, die er mitsamt ihren Falschinformationen korrigiert. Die Videos sind kurz, und sein humorvoller Ton macht die Inhalte leichter zugänglich. Ein Markenzeichen seiner Seite sind außerdem Live-Streams, in denen er genau solche Videos mit seinen Followerinnen in Echtzeit ansieht und kommentiert. Dadurch schafft er eine zusätzliche Ebene von Authentizität, Nähe zu seinen Fans und ermutigt zur Interaktion. Damit werden Jüngere  ermutigt, in politischen Angelegenheiten die Stimme zu erheben und sich zu äußern.

Zusammenfassend zeigt sich, dass TikTok nicht nur eine Plattform für Unterhaltung ist, sondern politische Mobilisierung und Diskussionen unter jungen Menschen anstoßen und ermöglichen kann. Der Algorithmus und die Bildung von "Bubbles" können jedoch dazu führen, dass Nutzer*innen in ihrer eigenen Meinungsblase gefangen sind und selten mit unterschiedlichen Perspektiven konfrontiert werden, was Polarisierung verstärken und die Verbreitung von Fake News begünstigen kann. 

TikTok kann eine wertvolle Plattform sein, um ein politisches Bewusstsein zu schaffen und Interesse zu wecken, um sich jedoch vertiefend Inhalte anzueignen, sollte man doch immer noch auf seriöse Quellen abseits von Social Media zurückgreifen.

 


Beitrag von Olivia Richter.


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