Mehr Indien wagen

Am 16. Januar 2016 fiel der Startschuss für die Regierungsinitiative „Startup India“. Es ist das größte und wichtigste Startup-Programm der indischen Regierung, ins Leben gerufen, um Indien zu einem „Land der Arbeitgeber“ zu machen, wie die damalige indische Regierung schrieb.

2024, knapp zehn Jahre später, lässt sich festhalten: Das Programm ist eine Erfolgsgeschichte: 121.726 anerkannte und Blockchain-zertifizierte Startups sind seitdem entstanden. Und wie Piyush Goyal, Minister für Industrie und Handel, in der Tageszeitung "The Hindu“ feststellte: „Die Erfolgsrate für Startups in Indien ist höher als in jedem anderen Land der Welt.“

Während in Europa viel über die chinesische Gründerszene geschrieben wurde, blieb Indien immer im toten Winkel der europäischen Aufmerksamkeit, obwohl die indische Startup-Szene genauso viel versprechend ist wie die chinesische, wenn nicht sogar mehr.

Die wichtigsten Entwicklungen auf einen Blick:

• Indien verzeichnet eine Rekordzahl an Unternehmensgründungen, was auf einen starken jährlichen Wachstumstrend hindeutet.

• Die bemerkenswerte regionale Verteilung über alle Bundesstaaten hinweg, bis hin zu den Andamanen-Inseln deutet darauf hin, dass der Gründergeist das ganze Land erfasst hat, nicht nur die Regionen um die Metropolen.

• „Straits Research“ prognostiziert, dass der Markt für digitale Transformation bis 2030 ein Volumen von 2,1 Billionen US-Dollar erreichen wird, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 23,72 Prozent entspricht.

• 5.020 Patentanmeldungen wurden bislang von der Startups eingereicht

• Pro Startup werden rund 12 Arbeitsplätze geschaffen. Das sind mehr als 1,4 Millionen Arbeitsplätze - und wir sprechen hier nur von den „Startup India“-zertifizierten Startups. Über ihre Innovationskraft hinaus haben sich die Startups so zum Jobmotor der indischen Wirtschaft entwickelt und gehören nach nur zehn Jahren zu den Schlüsselakteuren der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes.

• Und 44 Prozent der Startups wurden von Frauen gegründet oder haben einen weiblichen Geschäftsführer. Motor des Wandels - auch des sozialen - ist der Bundesstaat Maharashtra mit der Hauptstadt Mumbai: Hier gibt es landesweit die meisten von Frauen geführten Startups. (Diese Zahlen beziehen sich auf Startups, die mit Hilfe von „Startup India“ gegründet wurden).

Wie ist Indien dieser Erfolg gelungen?

Deutsche Start-ups müssen jetzt sehr stark sein, aber die indische Regierung hat in den letzten zehn Jahren mit über 39 Gesetzesinitiativen diesen Weg zum Erfolg geebnet. Zusammenfassend kann man sagen, dass es dabei drei grundlegend wichtige Säulen gab:

• Bürokratieabbau

• Steuererleichterungen für Unternehmen und Mitarbeiter

• Förderungen.

2015 wurde der „India Startup Action Plan“ von der Regierung vorgestellt, der dann 2016 mit der Gründung von „Startup India“ richtig Fahrt aufnahm. Im Rahmen dieses Aktionsplans konnten Startups eine Reihe von Vergünstigungen in Anspruch nehmen, wie z.B:

• Steueranreize, einschließlich der Befreiung von der Kapitalertragssteuer,

• Staatliche Unterstützung bei der Finanzierung

• Bevorzugung von Existenzgründern bei öffentlichen Aufträgen

• Die Möglichkeit eines Selbstzertifizierungssystems für die Einhaltung von Arbeits- und Umweltgesetzen

• Eine gemeinsame Plattform für die Interaktion aller Akteure

• Finanzierung von Partnerschaften mit Universitäten

• Anspruch auf 80 % Ermäßigung auf Patentanmeldegebühren und 50 % Ermäßigung auf Markenanmeldegebühren.

• Kostenlose Unterstützung bei der Anmeldung von geistigem Eigentum durch Patent- und Markenagenten.

• Mit dem Finance Act 2020 wurden weitere Verbesserungen eingeführt: Mitarbeiter in förderungswürdigen Startups müssen fünf Jahre lang keine Steuern zahlen, sondern erst danach oder wenn sie das Unternehmen verlassen oder ihre Anteile verkaufen.

Mit diesen und vielen weiteren Maßnahmen ist es der indischen Regierung gelungen, ein attraktives Umfeld für Unternehmer und Akteure des Startup-Ökosystems zu schaffen, das zu diesem Boom geführt hat. Bedingungen, von denen europäische oder deutsche Startups nur träumen können.

Im Rahmen des nationalen Rollouts des Aktionsplans wurden auch immer wieder verschiedene „Challenges“ durchgeführt, also Fokussierungen auf bestimmte Themenfelder, in denen neue Ideen und damit Startups gesucht werden.

Ein Schwerpunkt war die von „Startup India“ durchgeführte „Grand Challenge Agriculture“, bei der gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium 12 vorab identifizierte Probleme definiert wurden, für die Startups Lösungen finden sollten. Für die Challenge gingen über

1 066 Bewerbungen ein, und nach der Durchführung von fünf Mentoren-Workshops mit über 400 anerkannten Agritech-Startups, mehreren Screenings und Interviews wurden 20 innovative Ideen für das Upscaling ausgewählt. Die endgültigen Lösungen wurden von hochrangigen Wissenschaftlern und Kommissaren des Landwirtschaftsministeriums mit Unterstützung des Startup-India-Teams umgesetzt.

Auch in Deutschland gibt es einen kleinen Hub der deutsch-indischen Zusammenarbeit. Am 1. November 2019 wurde eine gemeinsame Absichtserklärung zwischen dem indischen Premierminister Narendra Modi und Bundeskanzlerin Angela Merkel unterzeichnet, mit dem Ziel, die Startup-Kooperation zwischen Indien und Deutschland zu stärken und auszubauen. So entstand GINSEP, das „German Indian Startup Exchange Program“, das vom Bundesverband Deutsche Startups e.V. und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mitinitiiert wurde, um neben einigen (wenigen) anderen Kooperationen die deutsch-indische Zusammenarbeit auszubauen.

Auch wenn natürlich auch in Indien jedes fünfte Startup wieder schließen muss, weil es den dauerhaften Sprung nicht schafft, sind die Zahlen beeindruckend.

Man müsste in Deutschland einfach „mehr Indien wagen“, wie Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in „Stiftung Wissenschaft und Politik aktuell“ schrieb. Ein Blick auf den Subkontinent lohnt sich.

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