Drei Fragen an: Elisabeth Niejahr von der Hertie-Stiftung

Elisabeth Niejahr war viele Jahre politische Korrespondentin für verschiedene Zeitungen, darunter Zeit und Spiegel, in Berlin und ist u.a. Autorin mehrerer Bücher. Seit 2020 ist sie in der Geschäftsführung der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung tätig und verantwortet den Bereich „Demokratie stärken“.Ein besonderer Schwerpunkt ist der Business Council for Democracy, ein Netzwerk für Arbeitgeber, die sich für Demokratie engagieren. Unternehmen können mit dem Projekt ihr Mitarbeitenden kostenlos zu Fragen digitaler Debattenkultur schulen.

F: Frau Niejahr, Sie haben viele Jahre als Journalistin den politischen Betrieb in Berlin beobachtet, analysiert und beschrieben - hätten Sie sich vorstellen können, dass wir im Jahr 2024 darüber sprechen, dass die deutsche Demokratie in Gefahr ist?

A: In meinen ersten Berufsjahren eher nicht, aber spätestens mit der Wahl von Donald Trump und dem Brexit waren die Probleme durch rechtspopulistische und autoritäre Kräfte offensichtlich. Das hat übrigens auch zu meinem Jobwechsel Anfang 2020 geführt: Der Wunsch, nicht nur über Probleme zu schreiben, sondern auch ganz praktisch etwas dagegen zu tun.

F: Wenn Sie eine kurze Bestandsaufnahme machen - wo stehen wir Ihrer Meinung nach heute in Sachen Demokratiegefährdung?

A: Die größten Gefahren in der westlichen Welt scheinen mir Gleichgültigkeit und Resignation zu sein. Es gibt ja Mehrheiten für Parteien der Mitte und eine Unterstützung für demokratische Werte von Rechtsstaatlichkeit bis zum Minderheitenschutz. Aber wenn niemand sich einsetzt, wenn die Stimmberechtigten nicht wählen - dann wird es schwer.

F: Ein Projekt, für das Sie jetzt bei der Hertie-Stiftung verantwortlich sind, ist der Business Council for Democracy? Sie schicken im Prinzip „Demokratietrainer“ in Unternehmen und führen dort Seminare durch. Warum machen Sie das und wie ist die Resonanz der Unternehmen?

A: Der Arbeitsplatz ist nun einmal ein Ort, an dem viele Menschen besonders viel Lebenszeit verbringen - und wo sehr unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen. Wenn es hier klappt mit Pluralismus, Toleranz, andere Meinungen aushalten und notfalls auch Zivilcourage - dann läuft es auch in der ganzen Gesellschaft besser mit der Demokratie. Es geht also um Investitionen in eine gute Unternehmenskultur. Und das scheint anzukommen: Bisher haben sich 125 Arbeitgeber beteiligt, teilweise mehrfach, darunter viele Konzerne, aber auch Kultureinrichtungen wie das Leipziger Gewandhaus, Sportvereine wie der HSV sowie Krankenkassen und Stadtwerke. Anfang Mai kommen 27 neue Arbeitgeber hinzu, etwa Beiersdorf, das Deutsche Rote Kreuz und das Bankhaus Metzler, um nur einige zu nennen.

F: Sie machen in diesem Projekt ja quasi Einzelansprachen in den Unternehmen. Damit erreichen Sie keine Massen - würden Sie trotzdem sagen, oder vielleicht gerade deshalb, dass das Projekt erfolgreich ist?

A: Der Masseneffekt entsteht vor allem dadurch, dass viele Unternehmen nach den Schulungen den Gedanken irgendwie weitertragen und beispielsweise Info-Hours, Azubi-Angebote oder andere eigene Bildungsformate anbieten. Aber sie haben recht: Es fängt mit kleinen Gruppen an, die sich in wöchentlichen digitalen Calls über einen Zeitraum von acht Wochen hinweg treffen. Das ist ein mühsames Geschäft ! Die Hertie-Stiftung finanziert gemeinsam mit der Bosch-Stiftung Kurse, an denen rund 20 Personen teilnehmen. Es lohnt sich aber auch: Auf diese Weise wurden gut 2500 Menschen geschult, hinzu kommen noch rund 40 Netzwerkveranstaltungen und Formate speziell für Multiplikatoren. Durch die Gruppen entsteht auch innerhalb der Unternehmen ein Interesse, das über Einzelne hinausgeht.

F: Was kann man als Betrieb machen, wenn man an solchen Seminaren Interesse hat, und was kostet das?

A: Die Schulungen sind kostenlos, eine Email an unser Projektteam reicht. Die Arbeitgeber müssen nur zusagen, ihre Mitarbeitenden während der Schulungszeit freistellen und dann Zeitfenster nennen - beispielsweise Mittwoch um 13 Uhr. Die Teilnahme muss freiwillig sein und auch sonst gibt es ein paar Regeln, die aber eigentlich nur einen höflichen und respektvollen Umgang gewährleisten sollen. Die Kurse funktionieren am besten, wenn die Mitarbeitenden ähnlich viel Vorwissen mitbringen und auch sonst nicht allzu heterogen sind. Wer von acht Schulungsterminen fünf mitmacht, bekommt am Ende ein Zertifikat. Da das auf 85 Prozent der Teilnehmenden zutrifft, müssen die Trainerinnen in den Schulungen wohl etwas richtig machen. Sonst kämen die Leute nicht!

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