Lieber nachdenken als nur messen

Was Alexander von Humboldt noch zum Star machte, nämlich die akribische Vermessung der Welt, ist in Zeiten von Internet und Big-Data zum reinen Selbstzweck verkommen. Alles im World-Wide-Web wird gezählt und gemessen. Und wenn man schon Daten sammelt wie eine fleißige Biene ihre Pollen, dann will man damit natürlich auch Geld verdienen. Dabei scheinen die Public-Relations-Manager Deutschlands eine zahlungswillige Zielgruppe zu sein. 

Mittlerweile gibt es zahlreiche Anbieter auf dem deutschen Markt, die sich auf das Sammeln von Medienbeiträgen, sogenannten Clippings, spezialisiert haben und ihren Kunden auf bunten Dashboards zeigen, wie oft und wo in den Medien über sie „gesprochen“ wird. Verkaufsargumente dieser Online-Werkzeuge sind dabei vor allem die Anzahl der Quellen (viel hilft viel) und natürlich ein intelligenter, manchmal sogar künstlich intelligenter, Algorithmus, der lernt und so die Ergebnisse mit der Zeit immer besser macht. Was auch immer „besser“ hier bedeuten soll.

Das ist natürlich oft Unsinn. Nicht die Menge der Erwähnungen im Internet / in den Medien ist entscheidend, sondern ihre Relevanz: Wo und von wem wurde man erwähnt? In welchem Kontext? Und so weiter und so fort. Intelligent ist an diesen Systemen in der Regel rein gar nichts. Es werden beispielsweise Treffer angezeigt, die gar keine sind,  und auch Doppelungen werden oft nicht erkannt. Twittert ein User etwa dreimal hintereinander oder über den Tag verteilt den exakt gleichen Tweet - kommt tatsächlich öfter mal vor - wird dieser dreimal gezählt. Ein minimal intelligentes System müsste sowas doch erkennen, oder?

Unterm Strich muss man leider sagen, dass diese Systeme oft nur einen sinnvollen Nutzen haben: Die PR-Abteilung kann schnell und ohne nachzudenken einen bunten Bericht mit vielen Zahlen und Graphen erstellen, damit ihr Chef beim Durchblättern am Monatsende glücklich ist. 

Stellt sich also die Frage, wie geht man (PR-Abteilung) mit erhobenen Zahlen richtig um? Daten sind natürlich durchaus ein Schatz, den man heben sollte und mit denen man vergleichbare Abläufe oder Handlungen über verschiedene Zeiträume messen und damit gut bewerten kann. Die Betonung liegt auf „bewerten“. Dazu bedarf es eben immer noch des Menschen, am besten einen mit Erfahrung in seinem Beruf, der Daten und Zahlen in einen Kontext einordnen und ihnen einen Sitz im Leben geben kann. Denn nur dann, wenn Zahlen nicht nur Quantität beschreiben, sondern qualitativ ausgewertet werden, wird ein Kommunikations-Schuh daraus. Noch sind die meistern angebotenen digitalen Analyse-Tools nicht in der Lage, qualitative Fragen zu beantworten; oder sie sind so enorm teuer und speziell, dass sie sich nicht für die tägliche Arbeit in der Kommunikation lohnen. 

Einen tollen und lustigen Vortrag rund um das Thema „Sinnlose Kennzahlen“ beziehungsweise den damit verbundenen Wettbewerb hat der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger gehalten. Anzuschauen unter https://www.youtube.com/watch?v=vFKH918BkJY
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