mfm - Interview: Drei Fragen an Joachim Bühler

Joachim Bühler ist seit Oktober 2017 Geschäftsführer und Präsidiumsmitglied beim TÜV-Verband VdTÜV in Berlin. Von 2011 bis 2017 war Bühler beim Digitalverband Bitkom und dort seit 2013 in der Geschäftsleitung für Politik, Wirtschaft und Technologien verantwortlich. Der promovierte Politikwissenschaftler war vor seiner Zeit beim Bitkom als persönlicher Referent eines Bundestagsabgeordneten tätig.

1. Am 13. Juli wollte die EU durch den Rechtsakt den Weg für das Autonome Fahren der Stufe drei frei machen. Doch es gab keine Einigung darüber, ob die Autos zukünftig über WLAN-Technik miteinander kommunizieren oder über 5G. Geplant war als Starttermin der 1. Januar 2020. Wann immer nun die EU das Startsignal gibt, sind Sie als TÜV überhaupt auf autonome Autos vorbereitet?  

Die europäische General Safety Regulation sieht vor, dass Fahrzeugassistenzsysteme ab 2022 EU-weit verpflichtend in neue Fahrzeugtypen und ab 2024 in neu zugelassene Kraftfahrzeuge eingebaut werden. So  werden etwa für PKW, leichte Nutzfahrzeuge, Lkw und Busse Warnung bei Müdigkeit und Ablenkung des Fahrers, zum Beispiel bei Smartphone-Nutzung während der Fahrt, intelligente Geschwindigkeitsassistenz und Rückwärtsfahrsicherheit mit Kamera oder Sensoren sowie Unfalldatenaufzeichnung vorgeschrieben. Für PKW und leichte Nutzfahrzeuge sind zusätzlich Spurhalteassistent und bei PKW ein erweitertes Notbremsassistenzsystem vorgesehen. Wir haben in den letzten Jahren intensiv an der Prüfung von hochautomatisierten Fahrzeugen gearbeitet, um Fahrerassistenzsysteme auf ihre Funktionsfähigkeit zu testen. Die Systeme sind heute zum Teil schon serienreif oder befinden sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, insofern sehen wir uns für die bevorstehenden Begutachtungen gut gerüstet.

2. Haben Sie bereits definierte Kriterien, nach denen die autonom fahrenden Autos TÜV-geprüft werden sollen?

Vollautomatisierte und autonome Fahrzeuge sind nach dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 derzeit nicht zulässig. Das Übereinkommen legt fest, dass jedes Fahrzeug einen Fahrzeugführer haben muss. Ein Testbetrieb autonomer Fahrzeugsysteme wie autonome Busshuttle ist daher bei gegenwärtiger Rechtslage nur durch die Ausnahmegenehmigung möglich. Hierfür haben sich die TÜV-Organisationen jüngst auf einen einheitlichen Kriterienkatalog verständigt. Im Mittelpunkt steht ein Sicherheitskonzept für das Gesamtfahrzeug und das Gesamtsystem, bestehend aus Fahrzeug, ausgerüsteter Infrastruktur und Leitstelle. Zukünftig werden weitere Kriterien wie funktionale Anforderungen, Cybersecurity, Software-Updates und Datenspeicher sowie kontinuierliche unabhängige Audits im Entwicklungsprozess der Fahrzeuge eine wesentliche Rolle bei der Typgenehmigung spielen.

3. Abgesehen vom Autonomen Fahren wird auch vermehrt über ein „TÜV-Siegel für Künstliche Intelligenz“ nachgedacht. Wie könnte ein solches Siegel aussehen, und was müsste Ihrer Meinung nach geprüft werden? 

Wir sind davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz nur dann nachhaltig erfolgreich eingesetzt werden kann, wenn sie sicher ist. Unfälle, etwa mit autonomen Fahrzeugen aufgrund von technischen Sicherheitsmängeln in der Künstlichen Intelligenz, werden nicht akzeptiert werden. Drei Aspekte sind aus unserer Sicht hier besonders zu berücksichtigen: Erstens Cybersicherheit: KI-Systeme müssen vor Angriffen von außen geschützt werden, um etwa Manipulationen zu vermeiden. Zweitens Transparenz: KI-Systeme müssen kontrollierbar sein, im Zweifel auch durch andere Computersysteme. Eine Black-Box KI schafft kein Vertrauen! Drittens Ethik: Wir müssen dafür sorgen, dass die Werte unserer Gesellschaft auch von Computern und Maschinen beachtet werden. Wir als TÜV-Organisationen arbeiten an Prüfmethoden und Verfahren, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Das umfasst auch Prüfen in Echtzeit und rein virtuelle bzw. digitale Prüfung. Grundsätzlich gilt, dass sich Produkte durch Künstliche Intelligenz permanent verändern und wir diesen Veränderungsprozess auch entsprechend begleiten müssen.

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