mfm-Interview: Drei Fragen an Professor Thorsten Faas

Arbeitet bei: Freie Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft
Position: Professor und Leiter der Arbeitsstelle Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland

1. Kann man jetzt schon absehen, welche Auswirkungen die Thüringen-Wahl für die Akzeptanz demokratischer Institutionen in Deutschland haben wird? 

Nein, das glaube ich nicht, wir sind ja noch mittendrin in den Nachwehen dieser Entscheidung. Sicherlich kann man die Geschehnisse nicht rückgängig machen. Dem „Dammbruch“ auf der einen Seite steht ja eine unglaublich starke Reaktion der Zivilgesellschaft gegenüber, die ja nun auch in den Parteien – gerade CDU und FDP – Reaktionen auslöst. Man könnte durchaus ein Fünkchen Hoffnung haben, dass die Ereignisse in Thüringen auch positive Konsequenzen haben, so schwierig und verfahren das alles derzeit ist.

2.  Erleben wir gerade auch in Deutschland den Tod der Volksparteien?

Ach, da könnten wir jetzt erst einmal akademische Debatten über den Begriff „Volkspartei“ führen, aber lassen wir das. Mir sind diese auf einen vermeintlich klaren Endpunkt hin ausgerichteten Debatten zu einfach. Man muss gar nicht weit in der jüngeren Geschichte zurückschauen, um sowohl bei Union als auch bei der SPD beachtliche Umfragewerte zu finden. Die SPD unter Martin Schulz – das ist gerade einmal drei Jahre her – erreichte plötzlich Werte über 30 Prozent, die Union unter Angela Merkel stand kurz vor der Wahl 2017 noch bei 40 Prozent. Die Volatilität hat zugenommen, ja… aber mit so klar gerichteten Szenarien tue ich mich schwer.

3. Ist das, was wir gerade stellvertretend durch Parteien erleben, ein „Kulturkampf" um die Ablösung von klassischen bürgerlichen Werten?

„Kulturkampf“ ist ein großes Wort… aber tatsächlich fordern populistische Kräfte die Demokratie gerade heraus. Die Verachtung von Eliten, das Verächtlich-Machen von Prozeduren, das muss man sehr ernst nehmen.


4. Warum zerreißt es die deutschen  Parteien regelmäßig an der Frage der Zuwanderung? 

Es zerreißt nicht alle Parteien. Der politische Raum in Deutschland ist durch mindestens zwei Dimensionen geprägt – eine ökonomische und eine kulturelle. Und manche Parteien – Union, SPD, FDP, Linke – sind über die ökonomische Dimension definiert, andere – Grüne und AfD – über die kulturelle. Entsprechend leichter oder schwerer fällt es den Parteien, sich zu kulturellen Fragen, vor allem Migrationsfragen, zu positionieren.

5. Was unterscheidet den Erfolg der AfD von den Erfolgen rechter Parteien in der Zeit von 1989 bis 1992 (Republikaner, DVU) außer, dass die AfD es in den Bundestag geschafft hat?

Die AfD  verbindet rechte mit populistischen Positionen und ist damit für zwei Gruppen von Wählerinnen und Wählern attraktiv. Und vor allem war das Ankommen der AfD im Parteiensystem schleichend: Als euroskeptische Partei unter Bernd Lucke haftete ihr nicht von Beginn an der Makel an, der früher immer rechten Parteien anhaftete, nämlich völlig inakzeptable Positionen im Lichte der deutschen Geschichte zu vertreten.
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